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AKV-Insolvenzstatistik – 1. bis 3. Quartal 2023
Einleitung
Nach Abschluss des 3. Quartals 2023 haben die Firmeninsolvenzen bereits das Niveau von 2019 übertroffen und damit befindet sich das Jahr 2023 auf dem Höchststand der letzten 5 Jahre.
Die Privatinsolvenzen liegen hingegen trotz großer finanzieller Probleme breiter Teile der Bevölkerung hinter den Zahlen vor der Pandemie.
Im Detail haben sich die Firmen- und Privatinsolvenzen wie folgt entwickelt:
Privatinsolvenzen
Die eröffneten Schuldenregulierungsverfahren (inklusive Gesamtvollstreckungsverfahren) haben im 1.-3. Quartal 2023 (6.647) gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022 (6.208) um 7,07 % zugenommen.
Trotz der Erleichterungen bei Entschuldungen auf Grund einer Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2021 liegt die Anzahl der eröffneten Privatinsolvenzverfahren jedoch weit hinter den Werten der ersten 3 Quartale der Jahre 2018 (7.796) und 2019 (7.184).
In diesem Zusammenhang möchten wir drauf hinweisen, dass Sie auf unserer Website den unter Statistiken abrufbaren interaktiven Grafiken die Anzahl der eröffneten Privatinsolvenzen nach Wochen entnehmen können, wobei auch eine Aufschlüsselung der Insolvenzeröffnungen nach Bundesländern und Bezirken möglich ist.
Eröffnete Privatinsolvenzen
Regional ist auszuführen, dass es nur in Niederösterreich (-1,13 %) und in der Steiermark (- 7,64 %) zu einer Abnahme der eröffneten Privatinsolvenzen gekommen ist. In allen anderen 7 Bundesländern sind weiterhin Zuwächse zum Vorjahr zu verzeichnen. Die größte Zuwachsrate gab es in Vorarlberg (+ 42,57 %), gefolgt vom Burgenland (+ 28,87 %), wie nachstehende Grafik zeigt:
Während Tirol (-10,20 %) und Vorarlberg (-26,32 %) Rückgänge bei den Eröffnungen zu verzeichnen haben, sind in allen anderen Bundesländern erhebliche Steigerungsraten vorliegend, die höchste in Kärnten mit einem Plus von 68,18 %.
Privatinsolvenz – Verschuldung
Die Gesamtverbindlichkeiten der eröffneten Privatkonkurse haben sich im 1. – 3. Quartal 2023 von EUR 690,1 Mio. (1.-3. Quartal 2022) um 22,74% auf EUR 847,0 Mio. erhöht.
Auch die Durchschnittsverschuldung ist von EUR 111.100,– (1.-3. Quartal 2022) in den ersten 3 Quartalen 2023 auf EUR 127.400,– gestiegen. Im Jahr 2021 lag die Durchschnittsverschuldung bei EUR 124.200,–.
Nach Bundesländern aufgeschlüsselt beträgt die Durchschnittsverschuldung der eröffneten Privatkonkurse wie folgt:
Die drastische Erhöhung der Gesamtpassiva und der Durchschnittverschuldung ist in Wien und in Gesamtösterreich vor allem darauf zurückzuführen, dass österreichweit die größte Insolvenz nach Passiva die Privatinsolvenz einer Person ist, welche unterschiedliche Funktionen in der „schilling“ Gruppe ausgeübt hat. In dieser Privatinsolvenz wurden Forderungen in Höhe von circa EUR 145,8 Mio. angemeldet, wobei ein Großteil der Forderungen, insbesondere die geltend gemachten Schadenersatzansprüche von Masseverwaltern der insolventen „schilling“ Gesellschaften, noch strittig sind.
Lässt man diese außergewöhnliche Privatinsolvenz unberücksichtigt, so würden sich im bisherigen Jahr 2023 Gesamtpassiva in Höhe von circa EUR 701,2 Mio. und eine Durchschnittsverschuldung von rund EUR 105.500,– errechnen.
Es kommt zwar immer wieder zu solchen an Passiva außergewöhnlich hohen Privatinsolvenzfällen, im Jahr 2022 wurde jedoch kein solcher statistischer „Ausreißer“ verzeichnet, so dass unter Bereinigung von Ausnahmefällen beobachtet werden kann, dass die Durchschnittsverschuldung in den letzten 3 Jahren stetig gesunken ist. Die finanzielle Situation veranlasst die Österreicher und Österreicherinnen daher bereits früher (mit niedrigeren Verbindlichkeiten) Initiativen zur Einleitung eines Privatinsolvenzverfahrens zu ergreifen.
Nachstehende Tabelle zeigt die Anzahl der Privatinsolvenzverfahren, samt durchschnittlicher Schulden pro Alterskategorie:
Mit steigender Altersgruppe steigt auch die Durchschnittsverschuldung der insolventen Österreicher. Die meisten Insolvenzfälle (3.283) werden in der Alterskategorie der 40 bis 59-jährigen Schuldner verzeichnet.
Der höchste Anstieg an Insolvenzfällen (+ 14,78 %) ist jedoch in der Kategorie der unter 24-jährigen Schuldner zu finden. Die Durchschnittsverschuldung der unter 24-jährigen Schuldner liegt nach Ende des 3. Quartals 2023 bei EUR 53.100 und ist damit zum Vergleichszeitraum 2022 (durchschnittlich EUR 31.400) wesentlich angestiegen.
Durchschnittsverschuldung der insolventen Österreich bis 24 Jahre nach Bundesland:
Auch bei den Ursachen zur Jugendverschuldung sind Unterschiede zu den anderen Alterskategorien zu finden.
Während bei den älteren Insolvenzschuldnern insbesondere eine gescheiterte Selbständigkeit, eine jahrelange Arbeitslosigkeit und (insbesondere bei Frauen) eine Scheidung oder Trennung von Lebenspartnern als Hauptursachen für eine Privatinsolvenz angegeben werden, handelt es sich bei den jüngsten Insolvenzschuldnern vermehrt um Konsumschulden. Insbesondere Verbindlichkeiten aus dem Onlinehandel können zunehmend beobachtet werden. Durch Ratenkäufe und Verzugsfolgen geht ein Überblick über die Finanzsituation verloren, so dass man sich relativ schnell in einer „Schuldenfalle“ befinden kann.
Da der Onlinehandel als Insolvenzursache in der Altersgruppe bis 24 Jahren zunimmt, ist auch eine Steigerung der Insolvenzfälle junger Frauen auffallend. So ist die höchste Zunahme bei weiblichen Schuldnerinnen unter 24 Jahren zu verzeichnen, nachdem hier ein Plus von 37,5 % zu beobachten ist. Erstmalig sind in der Altersgruppe bis 24 Jahre gleich viele Frauen wie Männer betroffen. In der Vergangenheit entfielen circa 60% der Insolvenzen der unter 24-jährigen Schuldner hingegen auf Männer, bei denen der Ankauf und/oder die Reparaturen von Kraftfahrzeugen zu den häufigsten Insolvenzauslösern gehören.
Während Frauen in allen Alterskategorien nur 38,68 % der Schuldner ausmachen, repräsentieren Frauen bereits 50 % der unter 24-jähren Privatschuldner.
Privatinsolvenz – Beendigungsformen
In der Vergangenheit wurde in circa 2/3 der Privatkonkurse mit den Gläubigern ein Zahlungsplan abgeschlossen. Der Zahlungsplan als Beendigungsform hat trotz der Entschuldungserleichterungen und sinkenden Quoten in den ersten 3 Quartalen 2023 die Marke von 70 % übertroffen:
Verfahren die mit Zahlungsplan im 1. – 3. Quartal 2023 aufgehoben wurden:
Bei den Verfahren, die in den ersten 9 Monaten 2023 mit Zahlungsplänen beendet wurden, errechnen sich nachstehende Durchschnittsquoten und Medianwerte:
Auch die durchschnittliche Quote bei Zahlungsplänen ist mit 27,0 % relativ hoch, wobei die Erzielung dieses Wertes vor allem darauf zurückzuführen ist, dass sich nur mehr jeder vierte Gläubiger am Verfahren beteiligt und seine Forderungen bei Gericht anmeldet.
In den ersten 9 Monaten 2023 wurden wöchentlich 170 Privatkonkurse eröffnet.
Firmeninsolvenz
Die vorliegenden Insolvenzzahlen des bisherigen Jahres 2023 weisen die höchsten Werte der letzten 5 Jahre aus. Sie sind auf Zinserhöhungen der EZB, gestiegene Kreditraten, verschärfte Kreditvergaberichtlinien, die inflationäre Entwicklung, die gestiegenen Material- und Produktionskosten, die hohen Energiekosten und die damit einhergehende Inflation und Kostensteigerungen zurückzuführen.
Am häufigsten war heuer die Baubranche mit 607 Insolvenzfällen betroffen, gefolgt von der Handelsbranche (604).
Hauptinsolvenzursache der zahlreichen Bauunternehmen ist weiterhin die rückläufige Auftragslage in der Baubranche, vorwiegend als Folge der KIM-Verordnung und der gestiegenen Materialpreise.
Besonders betroffen waren im bisherigen Verlauf des Jahres 2023 Handelsunternehmen. Es kam zu Insolvenzen bekannter Handelsunternehmen wie „Leiner & kika“, „geomix“, „Forstinger“ oder „Tally Weijl“. Diese Insolvenzverfahren konnten nunmehr im 3. Quartal 2023 durch die Annahme eines Sanierungsplans abgeschlossen werden. Die Unternehmen befinden sich nunmehr in der Erfüllungsphase und es bleibt abzuwarten, ob die vereinbarten Sanierungsplanraten in den nächsten Monaten erfüllt werden können, damit die Handelsunternehmen erfolgreich saniert werden. Im Sanierungsverfahren der „Zentrasport“ wird erst Ende des Jahres abgestimmt werden. Lediglich im Fall der „Schneiders Bekleidung“ musste der Sanierungsplan zurückgezogen werden.
Die insolventen Handelsunternehmen haben vor allem dazu geführt, dass sich die Anzahl der betroffenen Dienstnehmer fast verdoppelt haben, wie die Ausführungen unten zeigen werden.
Die eingetrübte Wirtschaftslage lässt weiterhin keine Entspannung bei den Firmeninsolvenzen erwarten, so dass der AKV weiterhin mit 5 500 Firmeninsolvenzen im Gesamtjahr 2023 rechnet.
Firmeninsolvenzen
Die eröffneten Firmeninsolvenzen sind im 1. bis 3. Quartal 2023 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022 auf 2.423 Verfahren gestiegen (+ 13,65 %).
Es handelt sich hierbei um die höchsten Verfahrenszahlen der letzten 5 Jahre, wie nachstehende Grafik zeigt:
Entwicklung Firmeninsolvenzen der letzten 5 Jahre
Die 2.423 Eröffnungen liegen somit über dem Vor-Corona Niveau, nachdem 2019 2.252 und 2018 2.250 Firmeninsolvenzverfahren in den ersten 3 Quartalen eröffnet wurden. Somit liegen wir im Bereich der Eröffnungen um 7,69 % über dem Vergleichszeitraum 2018.
Entwicklung der Firmeninsolvenzen pro Monat
Unseren interaktiven Grafiken auf unserer Website können Sie auch die monatlichen Entwicklungen der eröffneten Firmeninsolvenzen entnehmen. In unserem neuen Linechart werden die Firmeninsolvenzen in Österreich im zeitlichen Verlauf dargestellt und die Highlights hervorgehoben. Zur Verfügung stehen die Daten betreffend die Anzahl der Insolvenzen, die Höhe der Passiva und die Anzahl der Dienstnehmer, jeweils seit 2019. Die Daten für das aktuelle Jahr werden jeweils zum Monatsersten aktualisiert.
Entwicklung der Firmeninsolvenzen in den einzelnen Bundesländern
Zu den Bundesländern ist auszuführen, dass lediglich in Tirol (- 6,43 %) die eröffneten Firmeninsolvenzen geringfügig abgenommen haben. In allen anderen Bundesländern liegen Steigerungsraten vor. Die größte Steigerung gab es in Kärnten (+ 38,67%), gefolgt von der Steiermark (+ 25,69 %) und Niederösterreich (+ 21,00 %).
Eröffnete Firmeninsolvenzen
Gesamtpassiva der eröffneten Unternehmensinsolvenzen
1.-3. Quartal 2023: EUR 2.030.833.000,–
1.-3. Quartal 2022: EUR 1.710.094.000,–
Top 10 Größe Insolvenzfälle nach Passiva
Bei der größten Insolvenz nach Passiva handelt es sich eigentlich um eine Privatinsolvenz eines Schuldners, welcher unterschiedliche Funktionen in den Gesellschaften des „schilling“-Konzerns ausübte. Der Großteil der angemeldeten Forderungen ist nach wie vor bestritten.
Die größte Firmeninsolvenz nach Passiva ist jene der Leiner & kika Möbelhandels GmbH mit zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten von EUR 131,5 Mio. Der Leiner & kika Möbelhandels GmbH folgt die Gazprom Austria GmbH, in deren Verfahren haben Gläubiger Forderungen in Höhe von circa EUR 118 Mio. angemeldet, wobei auch hier ein Großteil der Forderungen vorläufig noch bestritten ist. Den vierten Platz belegt die Pro Revisio Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, in deren Verfahren Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 107 Mio. angemeldet wurden. Es handelt sich um die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft der insolventen Commerzialbank Mattersburg im Burgenland AG. Die in diesem Verfahren angemeldeten Schadenersatzforderungen der Masseverwaltung und einzelner Einleger sind vorerst noch bestritten.
Im Sanierungsverfahren der KSR Group wird eine Sanierung angestrebt und wird bei der Sanierungsplantagsatzung im Dezember mit Verbindlichkeiten in Höhe von EUR 77,3 Mio. gerechnet. Bei der 6. größten Insolvenz des bisherigen Jahres 2023 handelt es sich um die Zentrasport Österreich e.Gen., in deren Sanierungsverfahren bislang EUR 66 Mio. angemeldet wurden.
Auf unserer Website www.akv.at haben wir auch eine interaktive Grafik zur Entwicklung der Höhe der Passiva erstellt, wobei für die letzten 4 Jahre ebenfalls eine monatliche Abfrage möglich ist.
Gefährdete Arbeitsplätze
- – 3. Quartal 2023: 14.242
- – 3. Quartal 2022: 7.635
Die Anzahl der gefährdeten Arbeitsplätze hat sich annähernd verdoppelt (+ 86,54 %), nachdem 14.242 Dienstnehmer in den ersten 3 Quartalen 2023 unmittelbar von eröffneten Insolvenzen betroffen waren. Davon entfallen 3.297 Dienstnehmer auf die Insolvenz der Leiner & kika Möbelhandels GmbH, gefolgt von der GemNova Bildungspool Tirol gemeinnützige GmbH mit 591 Dienstnehmern. An dritter Stelle befinden sich die 552 Dienstnehmer der Forstinger Österreich GmbH.
In den ersten 3 Quartalen 2023 wurden wöchentlich 62 Firmeninsolvenzen eröffnet.
Im Gegenzug wurden in den ersten 3 Quartalen des heurigen Jahres 2.259 Insolvenzverfahren aufgehoben, wobei circa ein Viertel der Verfahren (27,67%) nach Abschluss eines Sanierungsplanes aufgehoben wurde. Die dabei für die unbesicherten Gläubiger erzielten Werte haben folgende – im internationalen Vergleich hervorragende – Durchschnittsquoten bzw. Medianwerte erreicht:
Verfahren, die mit Sanierungsplan im 1. – 3. Quartal 2023 aufgehoben wurden:
Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.
Rückfragenhinweis
Mag. Franz Blantz Dr. Cornelia Wesenauer
Bereichsleiter Insolvenz Pressesprecherin
Tel: 05 04 100 – 8000 Tel: 05 04 100 – 1193