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AKV-Insolvenzstatistik – 1. Halbjahr 2023

Einleitung

Wir erlauben uns Ihnen die Ist-Zahlen der Insolvenzstatistik für das 1. Halbjahr 2023 zu präsentieren.

Einleitend ist auszuführen, dass man im Bereich der Firmeninsolvenzen wieder das Niveau von 2019 erreicht hat, während man bei den Privatinsolvenzen weit hinter den Zahlen vor der Pandemie hinterherhinkt.

Beide Insolvenzbereiche sind daher trotz gleicher wirtschaftlicher Rahmen­bedingungen gesondert zu betrachten.

Firmeninsolvenz

Der während der Pandemie aufgebaute Rückstau an circa 2.000 Firmeninsolvenzen ist weiterhin nicht abgebaut. Das Wiedererreichen der Insolvenzzahlen des Jahres 2019 ist auf geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und neuartige Insolvenzursachen zurückzuführen.

Die Zinserhöhungen der EZB, gestiegene Kreditraten, die KIM-Verordnung und die damit verbunden verschärften Kreditvergaberichtlinien führten zu einem Abwärtstrend am Immobilienmarkt. Die inflationäre Entwicklung und die gestiegenen Material- und Produktionskosten führten in der Baubranche samt Nebenbranchen verstärkt zu einer Auftragsflaute. Der Einbruch am Wohnungs- und Hausbau ist auch ausschlaggebend dafür, dass im 1. Halbjahr 2023 in der Baubranche die meisten Firmeninsolvenzen zu verzeichnen waren.

Zum Handel ist auszuführen, dass dieser bereits während der Corona-Pandemie mit Umsatzeinbrüchen konfrontiert war. Die hohen Energiekosten und die damit einhergehende Inflation sowie die Kostensteigerungen führten zu einem Kaufkraftverlust und einem reduzierten Konsumverhalten bei Kunden. Die Folge waren vor allem im 2. Quartal 2023 Insolvenzen namhafter Handelsunternehmen wie „Leiner & kika“, „geomix“ oder „Schneiders Bekleidung“. Dieser Trend wird sich auch im 2. Halbjahr 2023 fortsetzen und dokumentiert sich in den Insolvenzen „Forstinger“ und „Tally Weijl“, welche in der ersten Juli-Woche 2023 eröffnet wurden.

Im Detail haben wir die Großinsolvenzen gemessen an den Dienstnehmern seit 2013 analysiert, das Ergebnis haben wir als interaktive Grafik aufgearbeitet.

Deutsche Insolvenzverfahren („Salamander“, „Delka“) runden das Bild von Schließungen österreichischer Filialbetriebe in der Handelsbranche ab.

Die eingetrübte Wirtschaftslage lässt auch im nächsten Halbjahr keine Entspannung bei den Firmeninsolvenzen erwarten, so dass der AKV mit circa 5.500 Firmeninsolvenzen im Gesamtjahr 2023 rechnet.

Privatkonkurs

Die 4 547 eröffneten Privatinsolvenzen bedeuten ein erhebliches Plus von 5,18 % gegenüber dem 1. Halbjahr 2022.

Gegenüber den 1. Halbjahren 2018 und 2019 liegt österreichweit ein Minus von circa 500 Verfahren pro Halbjahr vor. Dies verwundert auf den ersten Blick, nachdem durch den Entfall der Mindestquote durch eine Novelle im Jahr 2017 eine Entschuldung erheblich erleichtert wurde und durch eine weitere Novelle im Jahr 2021 der Leistungszeitraum für Schuldner in der Regel auf 3 Jahre verkürzt wurde.

Die Erklärung sieht der AKV darin, dass die inflationäre Entwicklung dazu führt, dass sich die Beratungen von Schuldnern auf Existenzsicherungen verlagern, so dass Beratungen zu Schuldenregulierungen fehlen. So gibt es zwar keine Mindestquote mehr, jedoch setzt ein eröffneter Privatkonkurs voraus, dass keine neuen Schulden begründet werden, um keine vorzeitigen Einstellungen der Verfahren auszulösen. Zudem verlangt eine gesetzliche Schuldenregulierung zumindest die Vorlage eines Zahlungsanbots (Zahlungsplans) an die Gläubiger.

Bezüglich der weiteren Entwicklung im heurigen Jahr geht der AKV davon aus, dass die Eröffnungen im 2. Halbjahr konstant bleiben werden, so dass wir mit circa 9.000 eröffneten Privatkonkursen im Gesamtjahr 2023 rechnen.

Im Detail haben sich die Firmen- und Privatinsolvenzen wie folgt entwickelt:

FIRMENINSOLVENZEN

Die eröffneten Firmeninsolvenzen sind im 1. Halbjahr 2023 gegenüber dem 1. Halbjahr 2022 auf 1 548 Verfahren gestiegen (+ 12,09 %). Damit bewegen wir uns ziemlich genau auf dem Niveau vor der Pandemie, nachdem im ersten Halbjahr 2019 1 534 Firmeninsolvenzverfahren eröffnet wurden.

Weiterhin besorgniserregend sind die 1 224 Abweisungsbeschlüsse, die sich gegenüber dem 1. Halbjahr 2022 um ein Viertel (+ 25,54 %) erhöht haben. Diese Entwicklung zeigt weiterhin, dass bei zahlreichen, durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen am Leben erhaltenen Unternehmen nicht einmal freies Vermögen von EUR 4.000,- vorhanden ist, um die Kosten für ein formelles Insolvenzverfahren aufbringen zu können. Im Bereich der Abweisungsbeschlüsse liegen wir um 8,60 % über den Werten des 1. Halbjahres 2019, in welchem 1 127 Abweisungsbeschlüsse gefällt wurden.

Entwicklung der Firmeninsolvenzen pro Monat

Unseren interaktiven Grafiken auf unserer Website können Sie auch die monatlichen Entwicklungen der eröffneten Firmeninsolvenzen entnehmen, in denen auch Vergleiche zu den ersten Halbjahren 2019 und 2022 abgebildet werden:

Die Firmeninsolvenzen sind im 1. Quartal des Jahres 2023 von 1.063 Fällen um 36,59 % auf 1.452 Fälle gestiegen.

Die 809 eröffneten Firmeninsolvenzverfahren liegen bereits deutlich, nämlich um 4,52 % über den 774 eröffneten Firmeninsolvenzen im 1. Quartal des Vor-Corona-Jahres 2019.

Die 809 eröffneten Firmeninsolvenzen entfallen wie folgt auf die einzelnen Bundesländer, dies im Vergleich zum 1. Quartal 2022:

Der in der Pandemie entstandene Rückstau an 2.000 Firmeninsolvenzen wurde daher weiterhin noch nicht über Insolvenzeröffnungen abgebaut, sondern geringfügig lediglich im Bereich der Insolvenzabweisungen mangels Masse. In der Insolvenzpraxis wird derzeit die Diskussion geführt, ob bei Vorliegen von Insolvenzanträgen und einer Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung jedenfalls ein Verfahren ohne Prüfung einer Kostendeckung zu eröffnen ist, um eventuell doch vorhandenes Vermögen aufzufinden bzw. über Anfechtungen ein solches in die Insolvenzmasse zurückzuholen.

Zu den Bundesländern ist auszuführen, dass lediglich im Burgenland die eröffneten Firmeninsolvenzen geringfügig (- 5,56 %) abgenommen haben. In Tirol und Vorarlberg wurde exakt der Vorjahreswert erreicht. In allen anderen Bundesländern liegen Steigerungsraten vor. Die größte Steigerung gab es in Kärnten (+ 36,36 %), gefolgt von Niederösterreich (+ 25,63 %) und der Steiermark (+ 18,52 %).

Antragsteller eröffneter Firmeninsolvenzen

Insolvenzverfahren können über Eigenantrag des Schuldners oder über Antrag eines Gläubigers eröffnet werden. Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass sich die Insolvenzeröffnungen zunehmend zu Gläubigeranträgen verlagert haben.

Die Situation stellt sich im 1. Halbjahr 2023 wie folgt dar:

Von den 1.548 Eröffnungen an Firmeninsolvenzen sind 932 Eröffnungen auf Initiative der Gläubiger zurückzuführen, so dass circa 60 % der Firmeninsolvenzen über Gläubigeranträge eröffnet werden. In Folge der Pandemie hat auch die Bereitschaft der Unternehmen, ihre Zahlungsunfähigkeit rechtzeitig einzugestehen, abgenommen. Dies führt nicht nur zu zunehmenden Verletzungen von Insolvenzantrags­verpflichtungen, sondern auch zu einer Schmälerung der Insolvenzmassen, wie auch der Anstieg der Insolvenzabweisungen mangels Masse belegt.

Gesamtpassiva der eröffneten Unternehmensinsolvenzen

1. Halbjahr 2023: EUR 1.200.828.000,-

1. Halbjahr 2022: EUR 1.067.399.000,-

1. Halbjahr 2019: EUR 1.377.814.000,-

Nachdem die eröffneten Firmeninsolvenzen um 12,09 % gegenüber dem Vorjahr angestiegen sind, haben auch die Gesamtverbindlichkeiten annähernd proportional (+ 12,50 %) zugenommen, nämlich von EUR 1,067 Mrd. auf EUR 1,2 Mrd.

Bei der größten Insolvenz nach Passiva handelt es sich eigentlich um eine Privatinsolvenz eines Schuldners, welcher unterschiedliche Funktionen in den Gesellschaften des „schilling“-Konzerns ausübte (Näheres siehe unten bei Privatkonkurse).

Die größte Firmeninsolvenz nach Passiva ist somit die Leiner & kika Möbelhandels GmbH mit im Insolvenzantrag angegeben Verbindlichkeiten von circa EUR 132 Mio. Die Anmeldefrist ist noch offen und es bleibt abzuwarten in welcher Höhe Gläubiger tatsächlich Forderungen geltend machen werden. Der Leiner & kika Möbelhandels GmbH folgt die Gazprom Austria GmbH. In deren Verfahren haben Gläubiger Forderungen in Höhe von circa EUR 118 Mio. angemeldet, wobei ein Großteil der Forderungen vorläufig noch bestritten ist.

Gefährdete Arbeitsplätze

1. Halbjahr 2023: 9.095

1. Halbjahr 2022: 4.847

1. Halbjahr 2019: 6.814

Die Anzahl der gefährdeten Arbeitsplätze ist um 87,64 % gestiegen, nachdem 9 095 Dienstnehmer im ersten Halbjahr 2023 unmittelbar von eröffneten Insolvenzen betroffen waren. Davon entfallen 3 297 Dienstnehmer auf jene der Leiner & kika Möbelhandels GmbH, gefolgt von der „Montavit“ mit 242 Dienstnehmern. In der Statistik noch nicht enthalten sind die 552 Dienstnehmer der Forstinger Österreich GmbH, nachdem dieses Verfahren erst am 06.07.2023 eröffnet wurde. Es zeichnet sich bereits zur Jahresmitte ab, dass 2023 ein Insolvenzjahr mit besonders vielen gefährdeten Arbeitsplätzen sein wird.

In diesem Zusammenhang präsentieren wir auch die größten Insolvenzen nach Dienstnehmern der letzten Jahrzehnte:

Branchenmäßig entfallen von den eröffneten Firmeninsolvenzen die meisten Insolvenzen auf Bauunternehmen (408), gefolgt vom Handel (384). Wie bereits einleitend ausgeführt, handelt es sich dabei um jene beiden Branchen, die am stärksten von der inflationären Entwicklung betroffen sind.

Verfahrensbeendigungen Firmeninsolvenzen

Von den Aufhebungen der Firmeninsolvenzen entfallen im 1. Halbjahr 2023 29,80 % auf abgeschlossene Sanierungspläne und 7,38 % auf angenommene Zahlungspläne. In deutlich mehr als einem Drittel der Verfahren kommt es daher bei den Firmeninsolvenzen zu einer Entschuldung.

PRIVATINSOLVENZEN

Wie bereits einleitend ausgeführt, haben die eröffneten Schuldenregulierungs­verfahren (inklusive Gesamtvollstreckungsverfahren) im 1. Halbjahr 2023 (4.547) gegenüber dem 1. Halbjahr 2022 (4.323) um 5,18 % zugenommen.

Trotz der Erleichterungen bei Entschuldungen liegen wir jedoch weit unter den Werten der 1. Halbjahre der Jahre 2018 (5.475) und 2019 (5.066).

In unseren interaktiven Grafiken stellen wir Ihnen nun auch eine Auswertung der Insolvenzeröffnungen der letzten 20 Wochen zur Verfügung (verfügbar ist diese Auswertung für Privat- und Firmeninsolvenzen).

Regional ist auszuführen, dass in Wien mit 1.475 eröffneten Privatkonkursen punktgenau die gleiche Anzahl an Privatkonkursen wie im Vorjahreszeitraum erreicht wurde. Die einzige Abnahme (- 15,81 %) hatte die Steiermark zu verzeichnen, wobei diese Entwicklung in der Steiermark insofern zu relativieren ist, als man im Vorjahr in diesem Bundesland am Privatkonkurssektor ein „Rekordpleitenjahr“ zu verzeichnen hatte.

In allen anderen 7 Bundesländern sind Zuwächse zu verzeichnen, die größte Zuwachsrate gab es in Vorarlberg (+ 40,83 %), gefolgt von Kärnten (+ 24,05 %), wie nachstehende Grafik zeigt:

Privatinsolvenz – Beendigungsformen

In der Vergangenheit wurde in circa 2/3 der Privatkonkurse mit den Gläubigern ein Zahlungsplan abgeschlossen. Der Zahlungsplan als Beendigungsform hat trotz der Entschuldungserleichterungen und sinkenden Quoten im ersten Halbjahr 2023 fast die Marke von 70 % erreicht:

Die Gesamtverbindlichkeiten der eröffneten Privatkonkurse haben sich von EUR 483,3 Mio. (1. Halbjahr 2022) um 30,22 % auf EUR 629,3 Mio. erhöht.

Auch die Durchschnittsverschuldung ist von EUR 111.700,- (1. Halbjahr 2022) auf EUR 138.400,- gestiegen.

Die drastische Erhöhung der Gesamtpassiva und der Durchschnittverschuldung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass österreichweit die größte Insolvenz nach Passiva die Privatinsolvenz einer Person ist, welche unterschiedliche Funktionen in der „schilling“ Gruppe ausgeübt hat. In dieser Privatinsolvenz wurden Forderungen in Höhe von circa EUR 145,8 Mio. angemeldet, wobei ein Großteil der Forderungen, insbesondere die geltend gemachten Schadenersatzansprüche von Masseverwaltern der insolventen „schilling“ Gesellschaften, noch strittig sind.

Im ersten Halbjahr 2023 wurden wöchentlich 175 Privatkonkurse eröffnet.

INTERAKTIVE GRAFIKEN

Im vergangenen Halbjahr hat der AKV seinen Statistikbereich auf www.akv.at/statistiken weiter ausgebaut und mit neuen Grafiken ergänzt. Auch in dieser Aussendung hat sich der AKV mehrfach auf das Ergebnis dieser Auswertungen bezogen und lädt Sie ein, die zur Verfügung stehenden Grafiken unter Quellangabe rege zu nutzen.

Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.

Rückfragenhinweis

Mag. Franz Blantz                  Dr. Cornelia Wesenauer
Bereichsleiter Insolvenz       Pressesprecherin
Tel: 05 04 100 – 8000            Tel: 05 04 100 – 1193