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Zahlung eines Nichtunternehmers an die Schuldnerin nach Verfahrenseröffnung

Erörterung anhand 9 Ob 33/20y

Dieser Entscheidung des OGH vom 17.12.2020  lag ein Sachverhalt zu Grunde, in welchem der Beklagte die spätere Schuldnerin mit der Durchführung von Fassadenarbeiten beauftragt hat. Die ersten beiden Teilrechnungen wurden noch vor Insolvenzeröffnung bezahlt. Der spätere Insolvenzverwalter war über die noch nicht abgeschlossene Baustelle des Beklagten nicht informiert; auf dieser wurden die Arbeiten auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitergeführt, abgeschlossen und abgerechnet.

Kurze Zeit nach Verfahrenseröffnung übergab der Geschäftsführer der Schuldnerin dem Beklagten eine Rechnung, die optisch von der vorangegangenen Rechnung abweicht (Nichtverwendung des Firmenpapiers bzw. Firmenlogos und fehlende firmenmäßige Zeichnung) und wurde darin die Zahlung auch auf ein anderes Konto, nicht jenes der Schuldnerin, vorgeschrieben. Der Beklagte konfrontierte hiermit den Geschäftsführer. Dieser äußerte sich dahingehend, dass er dem Inhaber des genannten Kontos noch Geld schulde. Bei diesem Gespräch war auch dieser Kontoinhaber anwesend und wurde vom Beklagten als eine Person wiedererkannt, welche gemeinsam mit dem schuldnerischen Geschäftsführer auf der Baustelle zugegen war und Vermessungen vorgenommen sowie das Angebot gelegt hat. Der Beklagte hat diese Rechnung auf das angegebene Konto des Dritten überwiesen.

Der Insolvenzverwalter begehrte in der Folge die Bezahlung dieser gelegten Rechnung mittels Klage. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wurde diese Entscheidung auch in zweiter Instanz bestätigt. Der dagegen vom Beklagten erhobenen Revision wurde hingegen Folge gegeben.

Nach § 3 Abs 2 IO wird der Verpflichtete durch Zahlung einer Schuld an den Schuldner nach Insolvenzeröffnung nicht befreit, es sei denn, das Geleistete wird der Insolvenzmasse zugewendet oder dem Verpflichteten war zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht bekannt und die Unkenntnis beruhte nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verpflichtete seinerseits beweisen muss, dass ihm die Verfahrenseröffnung weder bekannt war oder bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt bekannt sein musste. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, muss er neuerlich an die Masse leisten (vgl RS0063862 ua).

Bei Unternehmern wird die Vorwerfbarkeit der Unkenntnis am objektiven Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns gemessen. ISd Rechtsprechung ist dieser grundsätzlich zur Einholung von Informationen über ein allfälliges Insolvenzverfahren verpflichtet (vgl RS0063845). Vor dem Hintergrund des (für jeden frei zugänglichen) Online-Datennetzes entwickelte sich dabei auch ein geändertes Verständnis der Sorgfaltsverpflichtung. Schon in den späten 90er Jahren wurde ein Sorgfaltsverstoß eines Unternehmers dann angenommen, wenn dieser die neuen Medien nicht nutzt und es verabsäumt hat, sich über den letzten Stand der Insolvenzen Kenntnis zu verschaffen (9 Ob 2009/96y).

Bereits zu 4 Ob 276/97k hat der Oberste Gerichtshof zur Sorgfaltspflicht von Nichtunternehmern Stellung genommen. Er ist davon ausgegangen, dass auch trotz der Verbreitung der elektronischen Medien die Sorgfaltspflicht überspannt würde, müsste sich jeder Nichtunternehmer vor geschäftlichen Kontakten vergewissern, dass hinsichtlich des potentiellen Geschäftspartners kein Insolvenzverfahren anhängig ist.

In der gegenständlich abgehandelten oberstgerichtlichen Entscheidung wurde zwar zuerkannt, dass durch die (elektronische) Insolvenzdatei die Kenntnisnahme von Insolvenzen generell deutlich erleichtert ist; aber allein aus dieser Möglichkeit keine Pflicht zur Nachschau abzuleiten ist.  Eine Verpflichtung für Nichtunternehmer zur regelmäßigen Kontrolle der Vertragspartner ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshof grundsätzlich abzulehnen.

Eine Sorgfaltspflichtverletzung kann demnach nur angenommen werden, wenn konkrete – aber einzelfallbezogen zu beurteilende – Umstände hinzutreten, die auch für einen Nichtunternehmer die Annahme einer Insolvenz des Vertragspartners nahelegen und wenn dessen ungeachtet zumutbare Nachforschungen unterlassen werden.

Im eingangs geschilderten Sachverhalt hat der Beklagte die angegebene Kontonummer hinterfragt und konnte der schuldnerische Geschäftsführer hierfür eine – durchaus nachvollziehbare –  Erklärung abgeben. Allein das „Bemerken“ des ungewöhnlichen Schriftbildes und dass keine Nachforschungen in diese Richtung getätigt wurden, ist aber nicht als Sorgfaltspflichtverletzung zu werten. Dies insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Arbeiten erst kurz vor Rechnungstellung abgeschlossen wurden und auch eine Überweisung und keine Barzahlung gefordert wurde.

Ausgehend von diesem Sachverhalt konnte dem Beklagten die Unkenntnis vom Insolvenzverfahren des Schuldners nicht vorgeworfen werden.

[9 Ob 33/20y vom 17.12.2020 mwN]

Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.  

Rückfragenhinweis

AKV EUROPA
Alpenländischer Kreditorenverband

Mag. Franz Blantz
Leiter Insolvenzbereich
Tel: 05 04 100 – 8000

Dr. Cornelia Wesenauer
Pressesprecherin
Insolvenzabteilung Wien/NÖ/Bgld
Tel: 05 04 100 – 1193

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