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Pandemiebedingtes Betretungsverbot für Kunden und Mietzinsbefreiung – Rückforderung von Fixkostenzuschüssen seitens der COFAG?
Im Zuge der Insolvenzabwicklungen war man in den beiden letzten Jahren mit der Problematik konfrontiert, wie der Insolvenzverwalter im Falle pandemiebedingter Betretungsverbote mit den von Bestandgebern angemeldeten und den Zeitraum von Lockdowns betreffenden Miet- und Pachtzinsforderungen umgehen soll. Betroffen waren vorwiegend Insolvenzfälle in den Bereichen Gastronomie, Hotellerie, körpernaher Dienstleistungen, der Sport- und Unterhaltungsbranche sowie des Handels.
Gleichzeitig haben die (schuldnerischen) Mieter bzw. Pächter Förderungen und Fixkostenzuschüsse nach den FKZ I und FKZ 800.000 beantragt, wobei nach den Richtlinien FKZ 800.000 insolvente Unternehmen nicht mehr generell ausgeschlossen waren, sondern es durfte nur zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Insolvenzverfahren anhängig sein, wobei Sanierungsverfahren gem. §§ 166 ff IO davon ausgenommen waren. Für den Fall der Auszahlung von Fixkostenzuschüssen wurden zudem unterschiedliche Rechtsmeinungen vertreten, ob es sich um zweckgebundene Förderungen handelt und daher ein Fixkostenzuschuss an den Bestandgeber hauszugeben sei.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat jüngst zu dieser Problematik in der Entscheidung 3 Ob 184/21m Stellung bezogen, wobei diesem Erkenntnis nachstehender Sachverhalt zugrunde lag:
Die beklagte Partei hat in einem Einkaufszentrum ein Nagel- und Kosmetikstudio betrieben. Von März 2020 bis Februar 2021 war sie von drei behördlich verfügten Lockdowns betroffen, wobei sie für die Zeiten des Lockdowns keinen Bestandzins entrichtete und auch die Betriebskosten nur aliquot bediente. Das Einkaufszentrum klagte die offenen Bestandzinse ein, verbunden mit einem Räumungsbegehren.
Der OGH entschied in nachstehenden Punkten wie folgt:
- Die COVID-19-Pandemie ist als „Seuche“ im Sinne des § 1104 ABGB zu werten, sodass aufgrund dieser Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote zu einer Unbenutzbarkeit der Geschäftsräume in Bestandobjekten führen.
- Während der pandemiebedingten Lockdowns, die zu einem Betretungsverbot für das Geschäftslokal führten, ist der Bestandnehmer nach der gesetzlichen Bestimmung des § 1104 ABGB von der Pflicht zur Mietzinszahlung befreit. Ist die vertragsgemäße charakteristische Nutzung hingegen nur eingeschränkt, so kommt es gem. § 1105 ABGB zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung nach der relativen Berechnungsmethode.
- Für die Beurteilung der vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeit kommt es auf das konkrete Bestandobjekt und nicht auf das übrige geschäftliche Umfeld an. Der Umstand, dass ein Einkaufszentrum für bestimmte Geschäftszwecke (z.B. Apotheken, Lebensmittelhandel und Drogerien) auch während eines Lockdowns betreten werden darf, ändert aber nichts an der Unbenutzbarkeit des konkreten Geschäftslokals und es bestand für die beklagte Partei auch kein bewertbarer Nutzen aus dem Offenhalten des Einkaufzentrums zum Betrieb anderer Geschäftslokale.
- Nach den Richtlinien sollen die Zuschüsse zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten (von Unternehmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung von COVID-19) und der dadurch verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen dienen. Begünstigte Unternehmen müssen daher zumutbare Maßnahmen gesetzt haben, um die durch den Fixkostenzuschuss zu deckenden Fixkosten zu reduzieren (Schadensminderungspflicht mittels ex-ante-Betrachtung).
- Nach den Richtlinien hat die COFAG Fixkostenzuschüsse insoweit zurückzufordern, als sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die dem Zuschuss zugrunde liegenden Verhältnisse nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
- Die Verordnungen betreffend den Fixkostenzuschuss bzw. deren Richtlinien statuieren keine Verpflichtung für den Bestandnehmer, die staatlichen Unterstützungen an den Bestandgeber herauszugeben. Es handelt sich damit nicht um eine Zuwendung, die dazu gedacht ist, den gesetzlichen Mietzinsentfall der Geschäftsraumvermietung wettzumachen. Die Rechtslage schließt ein Verständnis dahin, den Fixkostenzuschuss zur Deckung des Mietzinsausfalls dem Bestandgeber zu überlassen, aus.
Es sei nur kurz erwähnt, dass die Bestimmung des § 1104 ABGB dispositiv ist und daher von den Vertragsparteien abbedungen werden könnte. Im konkreten Fall verneinte der OGH über eine Vertragsauslegung eine von den gesetzlichen Regeln abweichende Vereinbarung.
Diese Entscheidung des OGH bringt eindeutig die Befreiung des Bestandnehmers von der Verpflichtung zur Leistung des Bestandzins zum Ausdruck, lässt aber Unsicherheiten im Zusammenhang mit den Anspruchsvoraussetzungen für Fixkostenzuschüsse und deren Rückforderungen durch die COFAG aufkommen, wenn Mietzinse aufgrund dieser Befreiung tatsächlich nicht bezahlt wurden oder vom Vermieter zurückbezahlt werden.
RA Dr. Susi Pariasek bespricht diese Entscheidung (kritisch) in ZIK 2022/4, 4. Sie weist vor allem darauf hin, dass jedenfalls Vorsicht bei einer Einigung mit Vermietern geboten ist, falls der Schuldner einen Fixkostenzuschuss bekommen hat. Zudem hat sie ein diesbezügliches Frageschema für die Praxis erstellt.
Auf diese Judikatur hat der Gesetzgeber unmittelbar reagiert und in § 3b Abs. 5 bis 8 des ABBAG-Gesetzes mit Jahresbeginn 2022 ergänzende Regeln für Rückforderungen seitens der COFAG normiert (siehe BGBl I 2021/228). Demnach richten sich die Rückforderungen an Unternehmen mit geförderten Mietkostenanteilen von mehr als € 12.500 monatlich im Lockdown, nach den Angaben der COFAG betrifft dies 1.777 Betriebe. Rückzahlungen unterhalb dieses Grenzbetrags müssen erst an die COFAG abgeführt werden, wenn der Bestandnehmer Geld vom Bestandgeber zurückbekommen hat. Weiterhin wird auf die Schadensminderungspflicht verwiesen. Bei teilweiser Nutzung der Geschäftslokale, etwa für die Abholung von Waren bzw. für einen „Gassenverkauf“, ist die Berechnung der tatsächlichen Nutzbarkeit sowie die technische Abwicklung in den mit 16.03.2022 veröffentlichen Novellen der Richtlinien zum Fixkostenzuschuss und Verlustersatz geregelt.
Siehe dazu:
ABGB: §§ 914, 1096, 1104 ff;
OGH 25.11.2021, 3 Ob 184/21m, ZIK 2022/38, 35
Dr. Susi Pariasek, COVID-19-Pandemie: Bestandzinsbefreiung – Fixkostenzuschuss – Rückforderung/Rückzahlung, Anmerkungen zu OGH 3 Ob 184/21m, ZIK 2022/4, 4.
BGBl I 2021/228 Bundesgesetz, mit dem das KMU-Fördergesetz, das Garantiegesetz 1977, das ABBAG-Gesetz und die Bundesabgabenordnung geändert werden.
Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.
Rückfragenhinweis
AKV EUROPA
Alpenländischer Kreditorenverband
Mag. Franz Blantz
Leiter Insolvenzbereich
Tel: 05 04 100 – 8000
Dr. Cornelia Wesenauer
Pressesprecherin
Insolvenzabteilung Wien/NÖ/Bgld
Tel: 05 04 100 – 1193