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Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – Ist der Gerichtshof oder das Bezirksgericht sachlich zuständig?
Privatinsolvenz vs. Firmeninsolvenz
Gemäß § 63 Absatz 1 Insolvenzordnung (IO) ist für Insolvenzverfahren der Gerichtshof erster Instanz (jeweiliges Landesgericht bzw. Handelsgericht Wien) zuständig, in dessen Sprengel der Schuldner zum Zeitpunkt der Antragstellung sein Unternehmen betreibt (Firmeninsolvenz).
Für natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Unternehmen betreiben, ist gemäß § 182 IO das jeweilige Bezirksgericht des gewöhnlichen Aufenthaltes zuständig (Schuldenregulierungsverfahren bzw. Privatkonkurs).
Diese Zuständigkeitsabgrenzung ist im Gesetz zwar klar geregelt, dennoch kommt es in der Praxis in Einzelfällen zu Abgrenzungsschwierigkeiten. So wenn beispielsweise eine Gewerbeberechtigung bei einem Schuldner aufrecht ist, jedoch dieser bereits einer unselbstständigen Tätigkeit nachgeht oder der Schuldner Geschäftsführer und/oder Mehrheits- oder Alleingesellschafter einer GmbH ist. Debatten über die sachliche Gerichtszuständigkeit entstehen in der Praxis auch immer wieder bei den Tätigkeiten eines Schriftstellers, Übersetzers, Privatlehrers oder Künstlers.
Grundlegend wird sich das Gericht bei dem wesentlichen Abgrenzungskriterium, ob der Schuldner ein Unternehmen betreibt oder nicht, auf die Angaben im Insolvenzantrag stützen. Gibt es diesbezüglich Bedenken und fehlen die zur Zuständigkeitsprüfung erforderlichen Angaben, so wird das Gericht ein Verbesserungsverfahren einleiten. Das Gericht hat ein unbeschränktes Prüfungsrecht und nimmt in diesem Rahmen fallbezogene Ermittlungen bei Gläubigern, Schuldner oder öffentlichen Stellen vor.
Das Gericht soll nach herrschender Lehre eine Prüfung über den im § 1 Absatz 2 Konsumentenschutzgesetz (KSchG)* definierten Unternehmerbegriff vornehmen, bei welchem keine bestimmte Betriebsgröße, kein Mindestkapital und keine Mindestorganisation gefordert werden. Nach der Intention der Zuständigkeitsregelung nach § 182 IO sollen zudem jene Schuldner vom vereinfachten „Privatkonkurs“ ausgeschlossen werden, bei denen in der Verfahrensabwicklung mit unternehmensspezifischen Schwierigkeiten zu rechnen ist. Somit wird auch auf den Umfang der unternehmerischen Tätigkeit, die vorhandenen Betriebsmittel, Anlage- und Umlaufvermögen, die Notwendigkeit der Einziehung von Kundenforderungen und die Lösung von Rechtsfragen usw. abgestellt.
Entscheidend für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit bei „Ex-Unternehmern“ ist auch, ob das Unternehmen endgültig bzw. auf Dauer stillgelegt wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Unternehmen bereits liquidiert wurde oder nicht mehr wiedereröffnet werden kann. In diesen Fällen wird über das Vermögen eines „Ex-Unternehmers“ ein Privatkonkursverfahren abgewickelt. In der Praxis sind dies bereits 40 % der Privatkonkurse (Schuldenregulierungsverfahren).
Bei Freiberuflern wird im Regelfall die Unternehmereigenschaft gegeben sein, Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es in der Judikatur in jenen Fällen, in welchen kaum nennenswerte Betriebsmittel und Organisationsstrukturen (z.B. Pressefotograf, Musiker etc.) vorhanden sind. Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsanwalt immer Unternehmer, auch wenn die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt ist, sodass in diesem Fall die Zuständigkeit des Gerichtshofes gegeben ist.
Eine Verlassenschaft ist eine juristische Person, sodass unabhängig davon, ob die/der verstorbene Schuldner/-in Unternehmer oder Verbraucher war, immer der Gerichtshof zuständig ist.
Änderungen während eines laufenden Insolvenzverfahrens lassen die bei Insolvenzeröffnung bestandenen Zuständigkeitskriterien unberührt. Wird daher im Rahmen eines laufenden Firmeninsolvenzverfahrens eines Einzelunternehmers der Betrieb geschlossen, so bleibt weiterhin der Gerichtshof zuständig. Wenn der Schuldner jedoch eine natürliche Person ist, kann er im weiteren Verfahren die Regelungen des „Privatkonkurses“ für sich beanspruchen. Macht sich umgekehrt ein Schuldner während eines Schuldenregulierungsverfahrens selbstständig, bleibt das Bezirksgericht weiterhin zuständig. Nach herrschender Auffassung gilt dies auch dann, wenn der Schuldner während der Abwicklung eines Schuldenregulierungsverfahrens verstirbt.
* § 1 Absatz 2 KSchG: …ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein….“
Quellen
- § 63 Absatz 1 IO
- § 182 Absatz 1 IO
- 8 Ob 217/01x
- OLG Wien 28 R 199/05y
- Kodek, Privatkonkurs, 2. Auflage
- Kommentar Feil, 8. Auflage