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Insolvenzen bei Kleinstunternehmen
Im Nachhang zu unserer AKV-Insolvenzstatistik, in welcher auch die größten Insolvenzen nach Passiva und nach betroffenen Dienstnehmern aufgeschlüsselt werden, hat der AKV untersucht, ob und in welchem Ausmaß Kleinstunternehmen in Österreich von einer Insolvenz betroffen sind.
Nachdem derzeit wöchentlich 87 Unternehmungen insolvent werden und in den Medien schon fast täglich über Eröffnungen von Großinsolvenzen berichtet wird, will der AKV mit dieser Aussendung betonen, dass Insolvenzen in Österreich zumeist Kleinstunternehmen betreffen.
In einem Richtlinienvorschlag der EU zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts wurden ursprünglich als Kleinstunternehmen in Anlehnung an die Empfehlung der Kommission 2003/361/EG Unternehmen angesehen, die weniger als 10 Dienstnehmer beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Bilanzsumme weniger als EUR 2 Mio. betragen.
Dieser EU-Richtlinienvorschlag sieht bzw. sah Regelungen über ein „vereinfachtes Liquidationsverfahren für Kleinstunternehmer“ vor. Sollte ein solcher EU-Richtlinienvorschlag nach Annahme im EU-Parlament in Kraft treten, wären alle Mitgliedstaaten zur Umsetzung in innerstaatliches Recht verpflichtet. Der EU-Vorschlag sieht bzw. sah für Kleinstunternehmer ein „vereinfachtes“ Insolvenzverfahren vor. Solche Verfahren hätten ohne Insolvenzverwalter abgewickelt werden sollen, auch dann, wenn kein Vermögen vorhanden ist. Nach einhelliger Meinung der Insolvenzpraxis hätte dies nachteilige Auswirkungen auf Quotenerwartungen und eine ordnungsgemäße Abwicklung von Insolvenzverfahren gehabt. Der AKV hat allein zu diesem beabsichtigten Kapitel 2 kritische Stellungnahmen abgegeben (veröffentlicht auf unserer Website unter: Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts) und zu den vorgegebenen Größenklassen statistische Erhebungen durchgeführt.
Der AKV hat erhoben, dass in Österreich mehr als 90 % der eröffneten Insolvenzverfahren solch definierte Kleinstunternehmen betreffen. Unser Blick war dabei auf eröffnete Verfahren gerichtet.
Nachdem dieser Teil des EU-Richtlinienvorschlages von einem Großteil der Mitgliedstaaten ebenfalls kritisch gesehen wurde, hat eine bereits überarbeitete Version den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt niedrigere Schwellenwerte anzusetzen, so dass Unternehmen, die weniger als 4 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz und/oder Jahresbilanzsumme EUR 500.000,– nicht übersteigen in ein vereinfachtes Liquidationsverfahren einbezogen werden sollen.
Unter diesen Prämissen hat der AKV folgende Daten erhoben:
Im Jahr 2024 wurden in Österreich über das Vermögen von 4.156 Unternehmen Insolvenzverfahren eröffnet. Der Einfachheit halber haben wir den Jahresumsatz ausgeklammert und die in einem Insolvenzverfahren angemeldeten Passiva einer Jahresbilanzsumme gleichgestellt. Gliedert man nun diese Insolvenzen auf solche bis zu 4 Dienstnehmer und auf solche mit bis zu Passiva von EUR 500.000,– auf, so zeigt sich folgendes Bild:
Firmeninsolvenzen 2024 eröffnet Dienstnehmer |
||
0 DN | 2.516 | 60,54 % |
1 – 4 DN | 815 | 19,61 % |
5 oder mehr DN | 825 | 19,85 % |
Summe | 4.156 | 100,00 % |
Firmeninsolvenzen 2024 eröffnet Passiva |
||
unter 500.000,- | 2.547 | 61,28 % |
über 500.000,- | 1.609 | 38,72 % |
Summe | 4.156 | 100,00 % |
Firmeninsolvenzen 2024 eröffnet Beide Kriterien (4 DN und Passiva 500.000,–) |
||
Beides darunter | 2.282 | 54,91 % |
DN höher, Passiva niedriger | 265 | 6,38 % |
DN niedriger, Passiva höher | 1.049 | 25,24 % |
Beides darüber | 560 | 13,47 % |
Summe | 4.156 | 100,00 % |
Diese Aufstellungen zeigen, dass auch bei diesem niedrigeren Schwellenwert noch immer 54,91 % jener Unternehmen, über deren Vermögen im Jahr 2024 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, als Kleinstunternehmen anzusehen wären. Unseres Erachtens ist der Schwellenwert noch immer viel zu hoch angesetzt worden.
Aus diesen Daten kann abgeleitet werden, dass in 60,54 % der eröffneten Insolvenzverfahren in Österreich zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung keine Dienstnehmer mehr beschäftigt werden und mehrheitlich (61,28 %) die Verbindlichkeiten unter EUR 500.000,– liegen.
Richtet man einen Blick auf die nicht protokollierten Einzelunternehmen, so sind von den im Jahr 2024 eröffneten 4.156 Firmeninsolvenzen 1.424 (34,26 %) auf nicht protokollierte Einzelunternehmen entfallen, welche im Regelfall Kleinstunternehmen darstellen. Betrachtet man jedoch die 2.612 Insolvenzabweisungsbeschlüsse mangels Masse, so haben sogar zwei Drittel, nämlich 1.734 (66,39 %) der Beschlüsse nicht protokollierte Einzelunternehmen betroffen.
Es handelt sich dabei um Einzelunternehmer, welche zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch ein Unternehmen betrieben haben, so dass das Verfahren als Firmeninsolvenz abgewickelt wurde. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass von den 8.821 Privatinsolvenzen annähernd ein Drittel der Verfahren auf „Ex-Unternehmer“ entfällt und so erhebliche Verbindlichkeiten aus einer gescheiterten Selbstständigkeit im Zuge eines Privatkonkurses reguliert werden. Eine Entschuldung erfolgt zumeist erst viele Jahre nach Stilllegung des Unternehmens.
Die Firmeninsolvenzverfahren werden in Österreich professionell, rasch und effizient abgewickelt. Es hat sich bewährt, dass in allen Firmeninsolvenzverfahren spezialisierte Insolvenzverwalter bestellt werden, wobei die Anlaufkosten in Österreich EUR 4.000,– betragen. Entgegen den Annahmen der EU schmälern nicht die Anlaufkosten in dieser Höhe die Quotenaussichten, sondern verspätete oder von Unternehmen gar nicht gestellte Insolvenzanträge. So haben wir auch in der letzten AKV-Insolvenzstatistik zum 1. Quartal 2025 wiederholt darauf hingewiesen, dass Firmeninsolvenzen mehrheitlich über Gläubigeranträge eröffnet werden, wobei sich das Verhältnis zwischen Eigen- und Gläubigeranträgen wie folgt darstellte:
Eigenanträge | 527 | 46,47 % |
Gläubigeranträge | 607 | 53,53 % |
Gesamt | 1.134 | 100,00 % |
Die Annahmen im Richtlinienvorschlag, dass mit den vorgeschlagenen Regelungen Unternehmen auch Zugang zu günstigeren Finanzierungen verschafft wird und Hindernisse für den freien Kapitalverkehr abgebaut werden, bleiben fragwürdig. Mit Sicherheit werden Kleinstunternehmen nicht Zielobjekte von Finanzinvestments sein und die Ausgestaltung eines Insolvenzrechts wird ein untergeordnetes Motiv einer Investmententscheidung bleiben.
Spätestens seit der Novelle 2010 (IRÄG 2010) führen die Vorzüge des österreichischen Insolvenzrechts zu einer kurzen Verfahrensdauer und zu einer Einbindung der allgemeinen Gläubigerinteressen, zu deren Wahrung die Insolvenzgerichte, die Insolvenzverwalter und die Gläubigerschutzverbände verpflichtet sind. Nachstehende Daten aus der AKV-Insolvenzstatistik für das Jahr 2024 zeigen die hohen Rückflussquoten in Österreich sowie die Beendigungsformen:
Aufhebung nach | angenommenem Sanierungsplan | angenommenem Zahlungsplan | Einleitung des Abschöpfungsverfahrens |
Unternehmerinsolvenz | 29,09 % | 6,78 % | 0,88 % |
Verbraucherinsolvenz | 0,54 % | 67,59 % | 30,94 % |
Aufhebungen Firmeninsolvenzen im Jahr 2024 | ||
Sanierungsplan | 923 | 29,09% |
Zahlungsplan | 215 | 6,78% |
Verteilung | 1.059 | 33,38% |
Nullquote | 845 | 26,62% |
Abschöpfung | 28 | 0,88% |
Sonstiges | 103 | 3,25% |
Gesamt | 3.173 | 100,00% |
Durchschnittsquoten 2024 | Mittelwert | Medianwert |
Sanierungsplan | 42,94 % | 25,00 % |
Verteilung | 14,97 % | 6,68 % |
Durchschnittsquoten 2023 | Mittelwert | Medianwert |
Sanierungsplan | 42,10 % | 25,00 % |
Verteilung | 15,04 % | 6,57 % |
Die Annahme, dass Eigenverwaltungen zu höheren Quoten führen sollen, geht an der Insolvenzpraxis vorbei, denn gerade bei insolventen Kleinunternehmen sind in der Praxis erhebliche Defizite im Bereich des Rechnungswesens feststellbar.
Der AKV hofft, dass die Bestimmungen über ein „vereinfachtes Liquidationsverfahren bei Kleinstunternehmen“ in diesem EU-Richtlinienvorschlag auf Grund der breiten Ablehnung fallen gelassen werden, so dass ein maßgeblicher Eingriff in das europaweit einzigartige Insolvenzrecht Österreichs ausbleiben würde.
Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.
Rückfragenhinweis
Mag. Franz Blantz Bereichsleiter Insolvenz Tel. 05 04 100 – 8000 |
Dr. Cornelia Wesenauer Pressesprecherin Leiterin Insolvenzabteilung Wien / NÖ / Bgld. Tel: 05 04 100 – 1193 |