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Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – RIRUG

Beabsichtigte Änderungen in der Insolvenzordnung (IO) beim Zahlungsplan und Abschöpfungsverfahren

Das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG) dient zur Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/2023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019, welche im Titel III Regelungen über eine Entschuldung vorsieht. Danach muss Unternehmern im Rahmen einer zweiten Chance die Möglichkeit gegeben werden sich binnen 3 Jahren zu entschulden. Dabei soll aber auch der Prüfung der Redlichkeit von Schuldnern besondere Priorität beigemessen werden.

Über Einladung des Bundesministeriums für Justiz hat der AKV am 01.04.2021 seine Stellungnahme zu diesem Gesetzesvorhaben abgegeben, wobei trotz Befürwortung der Grundgedanken einzelne Umsetzungsbestimmungen kritisch gesehen werden. (LINK)

Vorauszuschicken ist, dass in der österreichischen Insolvenzordnung (IO) schon bisher bei Firmeninsolvenzen eine Entschuldung über einen Sanierungsplan im Vordergrund steht. Dabei ist den Gläubigern zumindest eine Quote von 20% binnen 2 Jahren anzubieten, wobei diese Frist im Jahr 2021 coronabedingt auf 3 Jahre ausgedehnt wurde. In diesem Bereich ist die Forderung der EU daher sowohl in der IO als auch in der Insolvenzpraxis erfüllt.

Die Problematik besteht darin, dass zahlreiche Unternehmer ohne formelles Insolvenzverfahren das Unternehmen stilllegen und sodann einen „Privatkonkurs“ (Schuldenregulierungsverfahren) beantragen. Der Anteil der Ex-Unternehmer an den Privatinsolvenzen beläuft sich mittlerweile auf rund ein Drittel der Anträge. Das RIRUG sieht daher Änderungen im Zusammenhang mit insolvenzrechtlichen Entschuldungen nur im Bereich der Schuldenregulierungsverfahren (Privatkonkurse) vor.

Nach der bisherigen Praxis entschulden sich ca. 2/3 der Schuldner über einen Zahlungsplan und 1/3 über ein Abschöpfungsverfahren.  Eine Abstimmung über einen Zahlungsplan setzt die gänzliche Verwertung des Vermögens voraus. Bei einer Ablehnung des Zahlungsplans wird ein beantragtes Abschöpfungsverfahren eingeleitet, in welchem ein Treuhänder die pfändbaren Teile des Einkommens einhebt und an die Gläubiger verteilt.

Das RIRL-UG sieht nun im Artikel 2 folgende Änderungen beim Zahlungsplan und im Bereich des Abschöpfungsverfahren vor, die am 17. Juli 2021 in Kraft treten, wobei die Regelungen über eine verkürzte Entschuldung nach § 283 IO für Verbraucher nur probeweise 5 Jahre gelten sollen:

ÄNDERUNGEN ZAHLUNGSPLAN

  • Die Frist einer groben Vorprüfung der Angemessenheit eines Zahlungsplans durch das Gericht wird von 5 auf 3 Jahre verkürzt, sodass der Schuldner den Gläubigern eine Quote anzubieten hat, die seiner Einkommenslage der nächsten 3 Jahre entspricht (§ 194 Abs. 1 IO). In der Praxis ist damit zu rechnen, dass sich die tatsächliche Laufzeit eines Zahlungsplans an der Alternative eines Abschöpfungsverfahrens von 3 Jahren (Tilgungsplan) oder 5 Jahren (Abschöpfungsplan) orientieren wird.
  • Die Erläuterungen zum neuen § 194 Abs. 1 IO stellen zudem die Subsidiarität des Abschöpfungsverfahrens klar, sodass der Schuldner nicht unmittelbar in ein solches Verfahren gelangen kann, sondern zuvor den Gläubigern einen Zahlungsplan anbieten muss, über den die Gläubiger abstimmen.
  • Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen bei Abstimmung über den Zahlungsplan nicht angemeldet haben, haben nach derzeitiger Rechtslage Anspruch auf die nach dem Zahlungsplan zu zahlende Quote nur insoweit, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht. Der neue § 197 Abs. 1 IO schränkt eine nachträgliche Einforderung einer Quote weiter ein, nämlich auf Gläubiger, die nicht von der Eröffnung (individuell) verständigt wurden. Auch zeitlich wird ein solcher Gläubiger auf die Restlaufzeit des Zahlungsplans, mindestens aber bis zum Ablauf von drei Jahren ab der Annahme des Zahlungsplans beschränkt. Dies jedoch auch wenn die Laufzeit des Zahlungsplans früher endet.
  • Bei einer wegen veränderter Einkommenslage beantragten Änderung des Zahlungsplans nach § 198 IO wird nach neuem Recht die Hälfte der Frist des bisherigen Zahlungsplans nur insoweit angerechnet, als während dieser Frist auch Zahlungen geleistet wurden (§ 198 Abs. 1 Z 1 IO).
  • Wenn ein solcher abgeänderter Zahlungsplan nach § 198 IO abgelehnt wird, so kann der Schuldner auf die Dauer der Abtretungserklärung für das nachfolgende Abschöpfungsverfahren ebenso die Frist des Zahlungsplans nur insoweit zur Hälfte anrechnen, als während dieser Frist auch Zahlungen geleistet wurden (§ 198 Abs. 1 Z 2 IO).

ÄNDERUNGEN ABSCHÖPFUNGSVERFAHREN

Im Zuge eines Antrags auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens ist eine Abtretungserklärung des Inhalts abzugeben, dass der Schuldner für die Dauer des Abschöpfungsverfahrens den pfändbaren Teil seiner Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion an einen vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtritt. Mit dem IRÄG 2017 wurde die Dauer des Abschöpfungsverfahrens von 7 Jahren auf 5 Jahre gekürzt und eine Mindestquote abgeschafft.

  • Die Novelle sieht nun im § 199 Abs. 2 IO zwei Varianten des Abschöpfungsverfahrens vor, nämlich einen
  1. Tilgungsplan:             die Dauer der Abtretungserklärung beträgt 3 Jahre
  2. Abschöpfungsplan:  die Dauer der Abtretungserklärung beträgt 5 Jahre

Ein Tilgungsplan ist jedoch nach einem normierten erhöhten Redlichkeitsmaßstab unzulässig und nach § 201 Abs. 2 und 3 IO daher abzuweisen,

  1. wenn der Schuldner nicht längstens binnen 30 Tagen nach Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit im Exekutionsverfahren (siehe unseren Beitrag dazu) die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt hat;
  2. wenn der Schuldner kein Unternehmen betreibt, wenn er binnen dieser 30 Tage neue Schulden begründet hat, die er bei Fälligkeit nicht bezahlen kann, und keine Maßnahmen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit ergriffen hat. Ein Verbraucher wird daher zumindest eine Schuldnerberatungsstelle kontaktieren und aktiv an einer Lösung zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit mitwirken müssen;
  3. wenn innerhalb einer verlängerten Frist von 5 Jahren (sonst: 3 Jahre) vor dem Antrag auf Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens das Einleitungshindernis nach Z 3, nämlich jenes der Vermögensverschleuderung, weil vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert wurde, indem unverhältnismäßig Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschleudert wurde, verwirktlicht wurde.

Liegen diese Abweisungsgründe vor, steht dem Schuldner nur die Möglichkeit eines verlängerten Abschöpfungsverfahrens mit einem Abschöpfungsplan offen.

Bereits durch die Gesamtreform des Exekutionsrechts (GREx) soll bei dem oben angeführten Einleitungshindernis die Frist nicht mehr vom Zeitpunkt des Insolvenzantrags, sondern von jenem des Antrags auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens zurückgerechnet werden. Die zeitliche Verschiebung wird vor allem bei vorgelagerten Vollstreckungsverfahren (siehe unseren Beitrag dazu) eine Rolle spielen.

Zudem sieht das RIRUG für das Abschöpfungsverfahren die folgenden weiteren Neuerungen vor:

  • Nach § 202 Abs. 2 IO besteht eine Berichtspflicht des Schuldners über seine Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit im Falle eines unpfändbaren Bezugs nur mehr dort, wo eine Obliegenheitsverletzung nach § 210 Abs. 1 Z 1 IO in Frage kommt. Der Berichtszeitraum wird vom Insolvenzgericht festgelegt. Eine Berichtspflicht entfällt daher z.B. bei einem Bezieher einer Mindestpension.
  • Der Treuhänder hat das ihm vom Schuldner herausgegebene Vermögen (Schenkungen, Gewinne und Erbschaften) zu verwerten (§ 203 Abs. 2 IO). Er kann stattdessen dem Schuldner die Verwertung auftragen; diese ist nur wirksam, wenn der Treuhänder zustimmt.
  • Die monatliche Mindestvergütung des Treuhänders wird von € 10,– auf € 15,– erhöht und diese Mindestvergütung kann nicht herabgesetzt werden (§ 204 Abs. 1 und Abs. 2 IO)
  • Auf Antrag des Treuhänders kann die Vergütung aus Amtsgeldern bezahlt werden (§ 204 Abs. 1 IO)
  • Das Aufrechnungsverbot gegen Forderungen des Schuldners wird generell erweitert, es besteht nicht nur bei Bezügen, die von der Abtretungserklärung umfasst sind, sondern z.B. auch bei sonstigem Vermögen, das in die Abschöpfungsmasse fallen kann (§ 206 Abs. 3 IO).
  • Insolvenzgläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, nehmen zukünftig mit ihren feststehenden Forderungen an Verteilungen nur mehr dann teil, wenn sie diese dem Treuhänder anzeigen und zudem von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (individuell) nicht verständigt wurden (§ 207 Abs. 1 IO).
  • Übt der Schuldner im Abschöpfungsverfahren eine selbstständige Tätigkeit aus, so hat der Treuhänder den monatlich zu zahlenden Betrag vorläufig zu bestimmen (§ 210 Abs. 2 IO).
  • Der Treuhänder hat die Insolvenzgläubiger über eine offenkundige Obliegenheitsverletzung des Schuldners zu informieren, wenn sich dafür Anhaltspunkte aus dem Bericht oder der Auskunft des Schuldners über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche ergeben (§ 210a Abs. 4 IO).
  • Bei einem Tilgungsplan ist ein Widerruf der Restschuldbefreiung binnen 2 Jahren möglich, wenn der Schuldner wegen einer Straftat nach den §§ 156, 158, 162 oder 292a StGB rechtskräftig verurteilt wurde und diese Verurteilung weder getilgt ist noch der beschränkten Auskunft aus dem Strafregister unterliegt (§ 216 Abs. 1 IO).

Derzeit kommt es jährlich zu etwa 2.000 Abschöpfungsverfahren mit einer Dauer von fünf Jahren.  Im Zuge einer Folgenabschätzung geht das Bundesministerium für Justiz davon aus, dass künftig in den nächsten fünf Jahren in etwa 25 % der Fälle – somit in 500 Verfahren – mit einer verkürzten Dauer des Abschöpfungsverfahrens von drei Jahren zu rechnen ist.

Bei Veröffentlichung wird um Quellenangabe gebeten.  

Rückfragenhinweis

AKV EUROPA
Alpenländischer Kreditorenverband

Mag. Franz Blantz
Leiter Insolvenzbereich
Tel: 05 04 100 – 8000

Dr. Cornelia Wesenauer
Pressesprecherin
Insolvenzabteilung Wien/NÖ/Bgld
Tel: 05 04 100 – 1193

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